Februar 8, 2025

Jigsaw-puzzle cheating

Ich bin heute mit dem Roller zu den letzten Häusern gefahren, um von dort in den Wald zu spazieren weil ich sehr k.o. bin aber Bäume sehen wollte. Es war anstrengend, ich habe nicht mal die Hälfte des verdammten Waldlehrpfads geschafft. Klar, gestern habe ich mich total überlastet. Trotzdem war es ernüchternd und schön zugleich. Vor kurzem noch hatte ich einen riesigen Hund, und alles was ich an Energie irgendwie hatte, verschwand entweder sofort in seiner Unterhaltung und Bewegung oder ich hatte Schuldgefühle, wenn ich damit irgendwas anderes gemacht habe.

Seit der Hund weg ist, kann ich so viel tun. Ich *darf* so vieles tun. Rausgehen wann es mir passt, nicht wenn es dunkel ist weil Hund dann entspannter, nicht nur Wochentags an bestimmten Zeiten wo es wenig andere Hunde hat weil sonst keiner von uns den Spaziergang geniessen kann. Einen Weg wählen, den ich nicht kenne und der steile Passagen hat (wer in der Schweiz schonmal spazieren war weiss, es ist nirgends flach ausser auf den allerlangweiligsten Feldwegen, auf denen man bei Begegnungen leider auch nicht ausweichen kann weil entweder bestellte Felder oder Weidezäune).

So sass ich in einem kleinen Naturschutzgebiet keine 2km überm Dorfrand, wo es wunderschön ist, ich aber in den 2.5 Jahren die ich hier wohne nie war. Ich war traurig und erschöpft. Aber ich konnte einfach im Gras sitzen und mich entspannen und fühlen und ein kleines, schlechtes Gedicht schreiben und es war ok. Und dann bin ich wieder heim mit dem Versprechen nächstes Mal die Energie mitzubringen, die tolle Infotafel dazu zu lesen. Oder den Rest des Waldlehrpfads zu machen. Am Waldrand stand ein Auto kurz vorm Fahrverbot. Mir wurde klar, dass ich nächstes Mal auch einfach ganz hoch fahren darf. Mein kleiner Roller stört niemanden und dann könnte ich noch einen Kilometer weiter im Wald laufen. Die Automenschen sind vermutlich nicht chronisch krank und müssen jeden Schritt abmessen bei Erschöpfung – aber sie wählen das, was für sie eben schön ist, ohne sich dafür zu schämen oder alles bis ins letzte Detail lückenlos zu rechtfertigen. Mir wird klar, dass ich das auch nicht den Rest meines Lebens tun will. Was einer der Hauptgründe war, den Hund abzugeben.

Daheim blickte ich auf mein halbfertiges Faultierpuzzle. Grün, mit ein paar Löchern in der Mitte wo Faultiere hingehören. Sie sind echt mühsam und schwierig und alles sieht gleich aus. Vor ein paar Tagen hab ich beschlossen, es einfach nicht fertig zu machen. Ich kann es wieder verräumen und nächstes Mal wieder das Grün und den Rand machen.

Dann viel mir meine Oma ein, die jedes Puzzle hinten numerierte. Als Kind verstand ich es nicht, fand es doof die Teile unter ihrer Aufsicht nach Nummern sortieren zu müssen (anders durfte ich es nicht machen). Auch wenn ich noch heute nicht finde, dass das für irgendwen eine wertvolle Erfahrung war, ist heute bei mir etwas weggebrochen – ich will mich nicht mehr schämen dafür, mir Dinge zu erleichtern wenn sie für mich kaum oder nicht leistbar sind ohne, oder ich sie einfach nicht gerne tue weil sie anstrengend und mühsam sind. Zum Wald hoch laufen, statt hoch zu fahren. Ein doofes Puzzle fertig machen.

Ich hab so viele schöne, und ein optisch kniffliges 1000-Teile-Puzzle hat hinten Einteilungen in 8 Buchstaben. Das hilft enorm wenn man völlig aufm Holzweg ist und es macht mir viel mehr Spass, dieses Puzzle zu lösen, als ein ähnlich schwieriges, welches keine Buchstaben hat. Vielleicht dreh ich es nächstes Mal einfach um, und markiere selber Buchstaben-Regionen. Einfach, weil ich es dann öfters wieder machen und mich darüber freuen werde. Und trotz dass ich das jetzt ins Internet schreibe, kämpfe ich innerlich gegen die Scham an, so „unfähig“ zu sein, dass ich das „nötig“ habe. Aber was habe ich davon, mir das Leben schwer zu machen?

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