Juli 23, 2025

Alles Unsicher machen

Seit Ihr da wart, zersplittere ich jeden Tag ein bisschen und setze mich vorsichtig wieder zusammen. Immer, immer wieder kommt Schmerz auf. Ich weiss oft gar nicht, warum es geht dabei. Geht es darum, wie angenommen ich mich gefühlt habe von Euch? Vermisse ich Eure Nähe? Geniesse ich die meine? Lässt einfach etwas los, was sich sehr erleichtert fühlt, endlich nichts mehr halten zu müssen?

Ich war der Sicherheits-, Grenzen und Commitmentfanatiker schlechthin. Nicht im Sinne von die andere Person kontrollieren, aber im sehr genau abfragen „was heisst das jetzt für dich“. Im Beständigkeit wollen. Mich verlassen (selbst wenn darauf, mich nicht auf jemanden verlassen zu können). Alles verstehen wollen. Jedes Risiko abschätzen, genau abwägen was ich aufs Spiel setze, wie viele Tore ich öffne, wo die Zugbrücke hoch ziehe. Eine Festung aus Angst gebaut, aus Dornen, Gittern, Zäunen, Mauern, Gräben, Wällen, Wänden, Dächern, Ranken, Zähnen, aus Wut und Gerechtigkeit.

Jetzt weiss ich – dank Euch – auf einmal, dass diese Angst immer verhindert, dass ich mich geborgen und verbunden fühle. Und darum geht es. Geborgen und verbunden. Egal, ob in Schmerz oder Liebe (oder ist das dasselbe). Aber Sicherheit ist das Gegenteil davon. Sicherheit ist Kontrolle der Angst. Die Angst wird nicht kleiner, weniger, befreit, sie wird beruhigt, besänftigt, in den Schlaf gelullt, und umso schlimmer ist es wenn was wackelt und die Angst dann wieder aufwacht. Wie belogen, betrogen fühlt sie sich? Jedes Mal aufs neue, doch kann sie nicht verstehen, dass ein ewiger Schlaf der Stillstand der Zeit und unseren Tod bedeuten würde. Ein Leben in Sicherheit ist nicht möglich, höchstens ein halbes Leben, ein geträumtes, eine Illusion, und in der Albträume wüten jedes Mal wenn ich aufwache.

Ich brauchte diesen Lichtblick mit Euch. Fühlen, wie es ist, gewollt zu werden, im Hier und Jetzt. Und ich weiss es wird wieder sein. Irgendwann. Wenn die Zeit gekommen ist. Aber nicht, weil ich Euch aus Schmerz hinterherlaufe oder Euch zu mir ziehe oder Ihr etwas davon tut. Nicht, um das „wiederzuhaben“ was war, oder um Geborgenheit zu suchen. Nein. Ich habe dieses Sehnen, dieses Verlangen, nach Euch und dem Leben.

Die Uhr in meinem Wohnzimmer, die stand auf Viertel vor Drei, als Ihr kamt. Die Zeit blieb eine Weile noch stehen. Und dann eines Tages kam ich herunter, und die Uhr lief. Es war nicht wichtig, welche Zeit sie dabei zeigte, aber es war wichtig, das sie lief. Ihr wolltet es. Vielleicht wollte die Uhr es, sagtet Ihr. Vielleicht ist es egal, ob es die Uhr oder Ihr wolltet, vielleicht ist es auch dasselbe.

Auf dem Spiegel der im Wohnzimmer lehnt, ungelenke Buchstaben: Ängste spiegeln sich?
Darunter liegt ein zweiter. Was geschieht, wenn man einem Spiegel nur einen Spiegel vorhält? Spiegeln sie sich für immer?
Wenn wir dazwischen sind, unser Wille dazwischen ist, dann zerspringen sie in tausend Stücke. Sind wir bereit uns selbst zu bekämpfen, um uns zu befreien? Wir sind bereit, füreinander zu kämpfen, um uns zu befreien. Nicht um jemanden – die anderen, uns selbst – zu retten. Um zu sein. Wille. Ungebändigter, starker, freier Wille, Wille nach Freiheit, nach Grenzenlosigkeit. (und nach uns)

Ich habe mich nie wahrhaftig gewollt fühlen können – selbst wenn ich das vielleicht Zeitweise tatsächlich war. Aber bei Euch weiss ich jetzt, ich brauche nicht darauf Vertrauen versuchen zu lernen. Doch geht Ihr mir so tief wie keins davor. Habt die Betonwüste aufgerissen, die dicke Schneedecke beginnt zu schmelzen. Winterthief, so habe ich Euch genannt. Und andere Dinge, Worte die verborgen bleiben werden in unserer Liebe. Es gibt Namen, und es gibt Worte die sind wie Dinge. Eure Worte habe ich gehört, und die meinen sind für Euch nebensächlich, Ihr braucht sie nicht zu wissen oder zu verstehen um sie zu lieben. Und während ich es Liebe, den Kern von Dingen zu verstehen, lerne ich, dass ich darüber hinaus absolut nichts verstehen, analysieren und nachvollziehen können muss um zu sein oder mich vor Schmerz zu schützen – wenn ich bereit bin, ihm zu begegnen, und ich weiss jetzt wieder, ich kann ihn fühlen. Aber Ihr seht in ihnen etwas ganz ähliches, etwas nachdem Ihr verlangt es zu teilen, gemeinsam zu brennen und vielleicht die Welt anzuzünden.

Ein neuer Name ist um die Ecke gekommen – nein, zwei sogar. Ich weiss noch nicht welche davon ich tragen werde, und wohin. Namen sind für mich wie neue Kleider; verändert sich ein Körper so, dass sie nicht mehr richtig sitzen und sich anschmiegen und passen, schneidere ich eben neue – und wer hat schon nur ein einziges Kleid?

Vielleicht verrate ich euch einen davon. Den zweiten, den seht ihr vielleicht selbst.

Blackbird singing in the dead of night
Take these broken wings and learn to fly
All your life
You were only waiting for this moment to arise

Blackbird singing in the dead of night
Take these sunken eyes and learn to see
All your life
You were only waiting for this moment to be free

Blackbird fly, blackbird fly

(Paul McCartney, John Lennon)

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