September 5, 2023

Verantwortung, Ego, hohe Ansprüche und Chancen

Ich bin nicht mehr alleine mit den drei Eseln. Ich kann es noch gar nicht so richtig fassen, und doch konnte ich einige Gefühle beobachten und auch verstehen, die dadurch aufkamen.

Ego

Ich weiss, mein Ego ist unglaublich fragil. Ich weiss, dass es stark an meine Leistung geknüpft ist, und auch daran, wie viel Verantwortung ich trage. Deshalb gibt mir Überforderung die toxischste Art von Halt überhaupt. Wenn ich so sehr am strampeln bin, dass ich gar nicht darüber nachdenken kann, was ich eigentlich will, wo meine Grenzen liegen, weil ich so weit über sie hinaus gehe, wie es mir möglich ist.

Natürlich ist Angst da. Aber sie hat deutlich weniger Erfahrung im konkreten Training mit Eseln. Sie wird etwas Übung und Unterstützung brauchen. Und irgendwann keine mehr, und es ist sehr wichtig, dass das für mich okay ist. Nur weil ich solche Mühe habe, meinen Wert zu sehen und meine Erfahrung und Intuition zu respektieren, heisst es nicht, dass das allen so geht. Gerade das Gespräch mit P am Wochenende hat mir nochmals klar gemacht: von aussen wirke ich wohl hundskompetent.

Ansprüche

Meine Ansprüche sind hoch. Vielleicht muss ich mich auch von der Wertung lösen, dass ich nur gut genug bin, wenn ich nur noch mit R+ trainiere. Ich sehe ja, dass genau diese Wertung es so vielen viel schwerer macht, gut zu ihren Tieren zu sein. Bin ich ein gutes Vorbild, ein guter Coach, wenn ich mich selber so hart verurteile für jeden Fehler, den ich mache? Denn ja, im Grunde finde ich es falsch, Tiere zu halten, mit ihnen zu arbeiten, ihnen den Konsens zu entziehen, sie zu benutzen.

Aber es gibt einen Weltenunterschied dazwischen, ob ich mir ein Tier kaufe und das dann damit tue, oder ob ich mich um Tiere kümmere, die andere Leute lange vernachlässigt und misshandelt haben. Es ist einfach ein Unterschied. Und diesen Tieren ist eben geholfen damit, wenn sie lernen, auf Druck nicht mit Wiederstand zu reagieren. Diesen Tieren ist geholfen, wenn sie artgerechter bewegt werden. Ob ich sie je reiten werde? Vielleicht. Aber eben nur, wenn sie damit okay sind. Wenn sie feine Hilfen verstehen und selbstbewusst und freudig mitmachen, keine Schmerzen haben und ich ihnen auch keine verursache. Und sonst nicht.

Genauso würde es Socki noch heute ziemlich beschissen gehen, wenn ich nicht mehr über Rudelverhalten gelernt hätte. Wenn ich nicht eingreifen würde, wenn er dominant-unsichere Verhaltensweisen zeigt. Verlange ich eine komentarlose Unterordnung? Nein. Aber ich muss sicherstellen können, dass die Grenzen aller anwesenden respektiert werden. Genauso streng wie ich manchmal bei Socki eingreife wenn er sich zu kontrollierend verhält, greife ich auch bei Menschen ein, die seine oder meine Grenzen nicht respektieren. Ich glaube nicht, dass das falsch ist. Aber Trainer die nur mit R+ trainieren, würden es falsch finden und mir erklären warum das nicht verstanden werden kann, nichts nutzt oder was auch immer. Dass es auf wiederlegten Theorien basiert.

Ich bin eigentlich müde, mich so zu verurteilen. So zu versuchen, der perfekte Mensch zu sein, für Leute deren Idealbild mir eben nicht mehr ideal vorkommt. Es tut nur so weh, wenn meine Nuancen der Realität nicht wahrgenommen werden. Bloss wegargumentiert oder gar ignoriert werden.

Zwei gegeneinander ankämpfende Gedanken zu dem Thema:

1. Ich weiss, dass ich alles sehr ernst nehme und andere oft heillos überschätze in ihren Fähigkeiten und Ambitionen. Ich will erst mal sehen, wie jemand unerfahrenes eine Lernkurve hinlegt, meinen Erfahrungsschatz zu überholen. Egal ob mit Hunden, mit Pferden, mit den Eseln.

2. Ich sollte langsam darauf vertrauen, dass ich das hinkriege und aufhören Angst zu haben, „überholt“ zu werden. Ich will aktiv dagegen ankämpfen, mich an anderen zu messen, in Überlegenheit Sicherheit zu finden. Ich will das nicht mehr.

Verantwortung

Ich versinke bis zum Hals in Arbeit. Ich weiss, dass es sehr bald wieder bergab gehen wird mit den Hufen. Ich weiss, dass 3 Esel und ein Hund einfach zu viel sind für mich. Ich weiss nicht, wie ich nach Schottland fahren soll wenn ich weiss, dass sich niemand um die Esel kümmert und ich die ganze Arbeit mit den Hufen dann wieder wegschmeissen kann. Ich weiss, dass ich nie die Zeit habe, wirklich zu trainieren und allein aufgrund meiner körperlichen Verfassung nicht die Ziele erreichen kann mit den Eseln, die mir wichtig sind.

Und doch… jetzt wo dieser riesige Druck von mir abfällt, ist es schwer, mich nicht verloren zu fühlen. Gebraucht zu werden, nie genug zu sein, gibt sehr viel Sicherheit. Nimmt Entscheidungen ab. Jetzt habe ich auch keinen Vorwand mehr, meine Grenzen zu missachten und gleichzeitig meine Welt zu verkleinern und zu beschränken. Jetzt müsste ich mich halt auch wieder aus meiner Komfortzone heraustrauen. Ich habe es mir bequem gemacht in der Verantwortung, hier sein zu müssen. Wo ist denn mein Mut geblieben?

Chancen, die sich auftun

  • Ich habe eine weitere Möglichkeit, lehren zu lernen
  • Gesündere Hufe durch öftere Pflege!
  • Glückliche, ausgewogene Esel die so viel Liebe bekommen wie ich mir für sie wünsche
  • Entspanntes krank sein und verreisen
  • Koordiniertes angrasen im Frühling – Hufrehe verhindern wird realistischer
  • Zeit für Training!
  • Gemeinsame Spaziergänge mit mehreren Eseln
  • Vielleicht sogar gemeinsames Hundetraining – ihr Hund ist sehr entspannt und ruhig

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