Juli 19, 2025

Heute hier, morgen immer noch, und dann?

Vor 5 Jahren wollte ich samt Hund und Esel nach Spanien runter, dort 2 Esel suchen und mit den drei Langohren dann wieder hoch tigern. Und das dann vlt einfach für immer machen. Dann kam die Idee auf, in einem kleinen Wagen zu reisen, den diese ziehen – denn ich konnte damals wie heute einfach gesundheitlich keine langen Strecken laufen, ohne sehr aggressiv zu werden durch die Überlastung und danach teils Tagelang nix mehr tun können.

Ich hatte damals im späten Winter kein Zuhause mehr was irgendwie sicher war weder für Hund noch mich. Es war klar, ich würde die Wohnung verlieren (aus verschiedenen Gründen, für die ich wenig konnte). Das Rentenverfahren dauerte unbestimmte Zeit (durch kam Geld zu mir erst im nächsten Februar), eine neue Wohnung hätte ich über eine Stiftung bekommen können, allerdings nur wenn ich mich darin „betreuen“ lasse und 2x wöchentlich meine Anwesenheit und den Zustand meiner Wohnung kontrollieren lasse. Ich entschied mich, stattdessen im Wald zu leben, in einer Besetzung.

Ich lebte ein Dreivierteljahr im Wald. Dort war vieles freier, aber vor allem anders stressig und bedrohlich. Aber es fühlt sich sicherer an, mit anderen Bewohnis zu streiten und mit dem Ermittlungsausschuss der Kripo und dem Ordnungsamt, unter dem Schutz des Versammlungsrechts, als jedes Mal beim vor die Tür gehen und auch in der Wohnung bei jedem Knarzen auf der Treppe Angst zu haben.

Im Winter lag ich teils über 20 Stunden täglich im Schlafsack. Alles war schwer. Umziehen. Aufs Klo gehen. Essen machen. Es war quasi Winterschlaf halten. Davon habe ich mich eingesperrt gefühlt. Ganz viel in meinem jetzigen Umfeld sperrt mich auch ein – ich versuche es aufgeräumt zu halten, weil jede Barriere das Risiko erhöht, dass ich wieder erstarre weil es sich am sichersten und berechenbarsten anfühlt, mit nichts zu interagieren. Das ist wirklich höchstens – und grade so – überleben. Dahin will ich nicht zurück. Darin erlebe ich weder mich noch andere. Es ist abwarten und konsumieren.

Jetzt bin ich ohne Hund. Alles ist anders. Das erste Mal seit diesen 5 Jahren habe ich nicht mehr den massiven Druck, dem ich gewachsen sein muss, immer, es sei denn ich verkrieche mich hinter den Gitterzäunen, die ich um den Garten des Miethauses gezogen habe. Ich wollte, konnte nicht mehr. Die einzige Perspektive die ich hatte, war fliehen. Weg aus der Schweiz. Vielleicht nach Schweden, dort gibt es billige alte Häuser. Aber die muss ich sanieren. Und was, wenn ich die Rente verliere und meinen Lebensunterhalt dann nicht mehr bestreiten kann? Und sowieso, ich muss ja noch mindestens 3-5 Jahre sparen bevor das nur annähernd realistisch würde. Mein Leben ist eh erst wieder meins, wenn der Hund irgendwann an Altersschwäche stirbt.

Und dann hatte ich keinen Hund mehr. Denn es ist mein Leben, und er ist jetzt wieder in einem Rudel und ich glaube fest daran, dass das sich besser anfühlt als isoliert mit einem Menschen zu leben, der nie genug Energie hat damit es reicht, und immer wieder unter dem Druck den er sich selbst macht zusammenbricht und aggressiv wird. Aber was nun? Ich bekam neue Medikamente – Amphetamine – mit denen ich endlich wieder Dinge tun konnte. Ich reiste mit meinem kleinen Van nach Schottland. Es gab lebendige Momente und ich sah so viel schönes, aber vor allem war es eine Karte mit Markierungen und Listen und Schlafplätzen die sich möglichst sicher anfühlen aber unkommerziell sind, und es war ein Kampf gegen meinen Körper wie viele der spannenden historischen Stätten und Museen ich abklappern konnte. Wandern habe ich versucht – das war eine brutale Klatsche ins Gesicht, wie schlecht es mir danach geht, wenn ich so viel zu viel von meinem Körper fordere, mich so über ihn stelle.

Nach X Jahren, während es mir körperlich grad so… gut geht. Fang ich langsam an die Gewalt zu begreifen die ich mir antue. Sehe, das es so nicht weiter geht. Sehe, wie wenig ich fühle. Wie sehr ich in Aufbauspielen gefangen bin. Da, ein Garten, da kann man Dinge anbauen und verwerten und sich verbunden mit der Natur und Selbstwirksam fühlen, während man alles bezwingt. Das in sich, und das was da wächst, und das was das frisst, was wächst. Hass keimt in mir. Es braucht Hoffnung, Geduld, Zuversicht, Sanftheit, Beständigkeit. Ich habe nichts davon. Ich versuch mich trotzdem dazu zu kriegen. Ich kanns ja auch schnell, effizient, grob und bei Bedarf gehässig machen. Who cares.

Jeder meiner Lebensträume ein neues Aufbauspiel. Auswandern dahin, dorthin, da wos leichter ist als hier in einem Land wo ich mehr Geld hab als ich brauche aber zu wenig um in diesem Land irgendetwas zu tun ausser darin zu wohnen (und in Nachbarländern einzukaufen weil ich sonst meine Ernährung wieder einschränke). Aber es ist eben alles auf Aufbauspiele ausgelegt und auf Menschen, die da voll mitspielen können, wollen und dürfen. Alles was ausserhalb dieser Regeln existieren will, muss sich erstmal ordentlich rechtfertigen. Natürlich fühle ich mich aussen vor. Ausgeschlossen. Falsch. Unerwünscht. Geduldet, aber nur wenn ich mich dem Anpassungsdruck unterordne und sage „ja, ich sehe das ich noch viel an mir arbeiten muss damit ich mich integrieren und einem Erwerb nachgehen kann, aber das ist mein grösster Wunsch, ich will doch nur normal sein“. Etwas ganz tiefes in mir fühlt sich nicht mehr sicher in diesem Land, seit dieses Gutachten angeordnet wurde, um noch eine Runde auf einen sehr kranken und emotional instabilen Menschen ohne echtes Unterstützungssystem einzutreten.

Patient gibt sich überaus theatralisch. Kein Satz hat sich je so tief in mein Gehirn eingebrannt. Es traf genau da, wo ich am meisten Angst hatte. Nicht gesehen, aber verurteilt zu werden, während ich verzweifelt versuche, endlich Hilfe zu bekommen. Mittlerweile wünscht sich etwas in mir fast in die Situation zurück, aber dass sie anders ausgeht. Rentenrevision schwebt wie ein Damoklesschwert über mir und ich weiss nicht, ob es mir psychisch je wirklich gut gehen wird, wenn ich von dieser verdammten Rente nicht loskomme. Selbst wenn es bedeutet, wieder draussen zu leben und dieses Mal ohne Aussicht auf eine selbstständige Rückkehr unter ein warmes Dach. Denn das Dach, und das Gefängnis das damit einhergeht – denn ich bekomme es nur finanziert, wenn ich wieder eine Anwesenheitspflicht erfülle.

Mit meiner Rente kann ich nämlich in der Schweiz nicht leben. Sie liegt locker die ganze Miete eines WG-Zimmers unter dem Sozialhilfesatz. Es ist wieder das Amt, das Krankenkasse, medizinischen Bedarf, zeitweise ambulante Pflege und natürlich die Miete übernimmt – die eigentliche Rente ist exakt der „Lebensbedarf“ der einem Rentner zugesprochen wird im „Existenminimum für Rentenbezüger“. Die Differenz zu dem Lohn den ich mindestens bekommen würde, könnte ich Vollzeit in meinem Beruf arbeiten, hätte ich die Ausbildung beenden können? 40k jährlich mindestens. Gut 3x so viel wie ich nun „verdiene“ als Ersatz dafür. Die Ergänzungsleistungen die ich erhalte fühlen sich an wie eine Fussfessel. Ich will hier weg. Ich will keine Ortsanwesenheitspflicht mehr. Nicht Angst haben, wissen, an meinem Wohnort darf ich observiert werden, mir in die Fenster fotografiert werden um zu beweisen dass ich ein Simulant wäre der Versicherungsbetrug begeht – trotz Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, dass die Schweiz damit die meinen und die vieler anderer behinderter und chronisch kranker verletzt.

Ich überlege ja schon lange ins Ausland zu gehen. Vielleicht für die Wintermonate wo ein WG-Zimmer mieten, damit ich nicht immer so friere in meinem Bus. Aber sozial packe ich das nicht. Vielleicht nocht nicht. Im Bus fühle ich mich auch selten sicher. Ich verstecke mich einfach darin und hoffe, es findet mich keiner der Ärger macht. Doch es ist ein winziges Gefängnis und da ist kein Platz, wirklich etwas zu tun. Es ist wieder abwarten und konsumieren. Rausgehen, sich verausgaben, Angst haben, mit schlechter Laune die Türen wieder verschliessen und mich verstecken, kein Licht nach draussen dringen lassen, keine Geräusche machen, aufhören im Topf zu rühren wenn jemand vorbei läuft. Ist meine Angst gerechtfertigt? Ich denke ja. Wenn ich mitbekomme, wie es anderen ergeht. Und ich weiss, wie wenig resilient ich bin und wie es mit jeder negativen Interaktion schwerer wird, mich überhaupt zu trauen draussen zu sein.

Ich will frei sein. Ich kann mir diese Freiheit nur nehmen, sie wird sich nie echt anfühlen wenn sie gewährt wird (weil sie es auch nicht werden kann). Kein Freilaufgehege. Aber schaff ich es ohne diese Abhängigkeit zu dieser finanziellen Absicherung? Ich hab so grosse Angst, dass mir „Gesundheit“ attestiert und diese entzogen wird, wenn ich mich entscheide wieder draussen zu leben, oder auch nur schon hier, weil ich dabei fotografiert werde wie ich mit einem Pony einen Waldweg entlang renne. Oder „Verletzung der Mitwirkungspflicht“ wieder Erwerbstätig zu werden, wenn ich mich nicht komplett dafür zerbrechen und brechen lassen will, jeden Funken Lebensfreude im Keim ersticke wenn er nicht dient um meine „Schuld“ abzuarbeiten. Als müsste ich leiden um diese Schuld zu rechtfertigen. Aber wenn ich leide und es so nicht im Lehrbuch erklärbar ist, dann ist es egal wenn man bei einer Untersuchung einen Nerv angestochen hat, denn das kann gar nicht weh tun, das ist Theatralik.

Ich vertraue diesem System keine Sekunde, dass ich nicht irgendwann wieder auf der Strasse stehen werde. Vielleicht bin ich dann alt genug, um wenigstens Anspruch auf Wohngeld zu haben bei der Sozialhilfe. Aber dann erinnere ich mich, wie ich dann wortwörtlich einen Antrag auf Ortsabwesenheit stellen muss wenn ich den Wohnsitz für mehr als einen Tag verlasse. Wie sich dann die winzige 1-Zimmerwohnung mit Kochnische, die das Amt finanzieren wird, erst recht wie eine hübsche Gefängniszelle anfühlen wird. Sagt mir ruhig, dass ich theatralisch bin und auf so hohem Niveau meckere.
Ich will aber nicht mehr Rechte, mehr Geld, ich will mich frei fühlen. Das würde ich in einer Wohnung oder selbst einem so grossen Haus wie diesem genauso wenig, wenn ich das Aufbauspiel Kapitalismus wie die meisten anderen spielen könnte.

Ein bisschen was habe ich hier ja aufgebaut. Ich habe Angst, was mit all meinen Sachen passiert, wenn ich das Haus nicht mehr mieten kann (oder will?). Also suche ich nach einer Möglichkeit, wie ich das mir bedeutsame mitnehmen, mich am besten vor dem Winter, meiner Erschöpfung und den Ängsten schützen kann ohne mich eingesperrt zu fühlen, und mit möglichst wenig Angst vor Repression, Vertreibung und Hass leben „darf“, ohne komplett von allen Kontakten abgeschnitten und auf mich alleine gestellt zu sein.

Wenn ich genau darüber nachdenke, gibt es so wenig was mir wirklich etwas bedeutet. Die Streichinstrumente. Eigentlich die Lederwerkstattsachen (seit Krankheitsbeginn n halbes Jahr nach Anschaffung quasi kaum mehr angerührt). Eine Gitarre dabei haben ist nett, aber meine fühlen sich nicht nach etwas an was ich verteidigen würde. Nichtmal „meine“ Bögen bedeuten mir wirklich was. Tiere mit Hufen bedeuten mir oft viel. Aber genau damit ist Reisen echt… riskant. Und kann ich lernen, so adaptiv zu sein, mich wenig genug bedroht fühlen, um mir jeden Tag oder spätestens jede Woche nen neuen Schlaf- und Weideplatz zu schnorren? Wissen, ich brauche vielleicht einen Monat oder mehr um wo hin zu kommen, wo ich Leute treffen will? Auch nicht spontan mal wo anders hin zu können alleine, weil ich mich ja kümmern muss um die Tiere? Was, wenn das Geld ausgeht für Tierarzt, Schmied, Pacht, Futter, Essen? Und was, wenn es eben doch zu viel Aufbauspiel ist, oder verhindert das ich daraus raus komme? Geht es doch wieder darum, gefühlt alles zu kontrollieren, was ich brauche, und das sich leichter Wiese gegen etwas Arbeit tauschen lässt als ein Tank voll Diesel und ne Fahrzeugversicherung?

Dahinter ist ja die eigentlich fiese Frage: was mach ich, wenn nicht das Aufbauspiel spielen? Was mach ich, wenn ich nicht immer nach Sicherheit und Kontrolle suche? Soll ich etwa… Fühlen und leben und Dinge erleben, die absolut nicht unter meiner Kontrolle sind, die mal warm und annehmend, mal richtig bedrohlich sind?

Die Antwort ist so Sonnenklar. Warum schaffe ich es doch immer wieder, mich daraus hinaus zu denken mit meinen „Was wenn“-s und meinen „Vielleicht wärs doch besser noch ein bisschen Sicherheit zu haben“-s.
Ich glaube, wenn ich schon hier bleibe, will ich wirklich darauf hinarbeiten weg zu kommen, in allem was ich tue. Alles, alles, ausser abwarten und konsumieren. Egal wie weh es tut, wie viel Angst ich habe, ich will es lieber fühlen als wieder nichts zu fühlen.

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