April 22, 2025

trans-masc lesbians

Auf Twitter im englischsprachigen Raum wird mal wieder diskutiert, ob es lesben- und/oder transfeindlich ist, trans-maskulinen Personen das Label Lesbisch nicht abzusprechen. First of all, holy shit, no. Es kann nur queerfeindlich sein, Leuten ihre Selbstidentifizierung abzusprechen und sie in Kategorien zu drücken. Nachdem wir das geklärt haben, lasst uns etwas genauer über den Hintergrund nachdenken, warum diese Labels in Kombination absolut Sinn machen.

Grundsätzlich: trans maskulin heisst nicht gleich trans männlich. Trans maskulin verwenden idR nicht-binäre AFAB Personen, die sich als trans identifizieren und vielleicht medizinische und/oder rechtliche Transitionswege gehen. Oft sind es Menschen, die zuerst „binär“ trans waren bis sie dann ihre Identität wirklich gefunden haben, so auch bei mir, siehe ganz unten im Text. Das ist sehr viel öfter der Fall als die berüchtigte Detransition.

Geschlechtszuweisende Sprache

Immer wieder stösst man auf die Begriffe AMAB/AFAB. Natürlich sind diese Begriffe potentiell genauso problematisch wie einfach männlich/weiblich, sobald wir sie anderen Leuten ohne Consent zuschreiben. Gleichzeitig brauchen wir eben Sprache, um Diskriminierung und Privilegierung benennen zu können. Oft wird auch von männlich/weiblicher Sozialisierung gesprochen, das kommt weniger harsch und engültig rüber, impliziert schon dass das vielleicht ja nicht das Geschlecht der Person ist sondern wie die Gesellschaft sie geprägt hat. Die lautesten Stimmen in Queeren Kreisen die fordern, dass so etwas nicht benannt werden darf, sind lustigerweise die privilegiertesten in dieser Gruppe: Nicht-binäre AMAB Personen. Und ganz zufälligerweise ist es auch die Gruppe, die es idR als einzige nötig macht, dass wir diese Sprache überhaupt nutzen, weil wir patriarchale Privilegien und deren manchmal rücksichtslose, manchmal einfach unbedachte Ausübung kritisieren müssen. Wie kann ein Queerfeministischer Raum einer sein, wenn wir uns genau dort gegen das Patriarchat nicht mehr wehren dürfen?

Ich nutze mittlerweile einfach direkt „patriarchal privilegiert“ als Label für solche Kandidat*innen. Es spricht direkt an, um was es geht, lässt diese Diskussion gar nicht erst aufgehen, denn wir reden nicht über etwas angenehmes, nettes, wir reden über Kritik die notfalls um Ohren gehauen wird bis Räume wieder zumutbar sind.

Denn wir Enbys sitzen nicht alle im selben Boot

In meiner Zeit in Besetzungen habe ich die Erfahrung gemacht, dass es immer wieder dieselben Konflikte gibt. Dass in Queeren, Anarchistischen Räumen oft ganz offen sichtbar aber doch unangesprochen Machtdynamiken herrschen. Und dass queere Kämpfe so unterschiedlich sein können je nachdem, wo wir herkommen, was wir mitbringen, welche Privilegien wir eben haben. Mehrfachmarginalisierung ist da ein wichtiges Stichwort. Und oft sind es junge patriarchal privilegierte, weisse Student*innen, die nicht sehen, dass sie gerade einfach nicht der Fokus sein sollten. Das sie mit Entdeckung ihres Geschlechts zwar viel aufzuarbeiten haben, aber eben nicht nur für sich sondern auch, wie sie gegenüber anderen queeren Menschen auftreten. Wie viel Raum sie einnehmen, wie viel Macht sie mit Selbstverständlichkeit an sich nehmen weil sie gewohnt sind, dass die Welt ihnen gehört. Das die Stakes für viele andere deutlich höher sind. Das ihr Unverständnis queerer Identität und Geschichte nicht für Unterhaltung sorgt sondern für Schmerz und Wut bei anderen. Das das Spiel nicht lautet „kann ich Wege finden meine eigene Diskriminierung in den Vordergrund zu rücken um nicht Verantwortung für mein Verhalten zu übernehmen müssen“. Und das ist eben genau ein solch patriarchales Privileg, das sie sich gewohnt sind. Sich Community Care und Accountability in jeder Form zu entziehen in die hyperindividualität, denn jeder ist ja für sich selber verantwortlich.

Präsentation vs Transition

Ich will nicht sagen, dass AMAB Enbys es leicht haben. Klar, wenn sie nicht offen leben geniessen sie weiterhin Sicherheit und alle patriarchalen Privilegien wie zuvor. Präsentieren sie sich nach aussen weniger männlich, wird ihnen oft Homosexualität zugesprochen statt binäres Geschlecht abgesprochen – das Risiko für Transfeindlichkeit steigt mit zunehmend weiblicher Präsentation gerade wenn cis-weibliches Passing eben nicht das Ziel ist, und ist sehr viel ernster als bei nicht-transitionierenden AFAB Enbys. Aber insgesamt ist es leichter, über Äusseres zu kommunizieren ich bin nicht cis männlich. Das ist meiner Einschätzung nach auch ein Grund, warum AMAB Enbys sich seltener zuerst als binär trans weiblich outen, seltener medizinische Transition verfolgen.

Für AFAB Personen sind in der modernen Gesellschaft die Optionen sich vom zugewiesenen Geschlecht abzugrenzen deutlich kniffliger. Wir können im Prinzip tragen, agieren, sagen was wir wollen – wir werden oft trotzdem sexualisiert. Oder wir werden in die Kategorie Lesbe geschubst, gerade wenn wir laut sind, wenn wir uns selbstbewusst geben und uns nicht dafür entschuldigen. Und da sind wir eben zurück beim ursprünglichen Thema. Denn Lesbisch sein ist genauso ein politisches Label wie ein sexuelles/romantisches. Es wurde und wird schon immer genutzt für politisches und sexuelles Empowerment von weiblich sozialisierten und AFAB Personen. Für Menschen, die bereit sind unangenehm zu sein und überzeugt für ihre Queernes und gegen allerart Diskriminierung einstehen (ja, unsere Kämpfe sind alle verbunden!). Fast alle trans maskulinen Personen die ich kenne haben sexualisierte Gewalterfahrungen gemacht, die ihre Transition beeinflussen. Allein das verändert unseren Bezug zu unserem Körper oft massiv und fügt eine Ebene und Schwere hinzu, die AMAB Enbys zum Glück oft nicht mit sich tragen.

Mein eigener Transitionsweg

Mit dem coming out als trans ist Aufarbeitung der weiblichen Sozialisierung ein Thema, was meist lange und intensiv arbeitet. Wie trennen wir unsere Diskriminierungserfahrung und Prägung von unserem Geschlecht? Können wir uns überhaupt mit der Bevölkerungsgruppe „Männer“ je richtig identifizieren, wenn wir nie deren naive Ignoranz gegenüber patriarchaler Privilegierung annehmen können? Diese Frage beschäftigte mich zum Beispiel über etwa 3 Jahre und war auch Grund, warum ich mit medizinischer Transition lange gewartet habe, obwohl ich mich damals binär trans männlich identifiziert habe. Aber es ist eben hoch, hoch politisch und für mich sind es Entscheidungen, in denen es nicht nur um meinem Körper geht sondern viel darum, wie mit mir umgegangen werden wird und auch, welche Rolle ich in Konversationen damit einnehme.

Im Moment sehe ich durch meine medizinische Transition in Kombination mit meinen Körperbau vor allem jung aus. So jung, dass mir oft Sexualität grundlegend abgesprochen wird. Oft fühlt es sich als eine Art Entmündigung an, gleichzeitig weiss ich das ich eben wirklich nicht mehr sexualisiert und objektifiziert werde. Umso mehr muss ich mich daran gewöhnen, dass das gespielte Selbstvertrauen, Körperhaltung, Ausdrucksweise jetzt plötzlich nicht mehr ein Schutzschild ist den ich benötige, sondern etwas woraus plötzlich patriarchale Macht entsteht. Ich bewege mich nicht mehr so laut in queeren Räumen. Achte mehr darauf, wann und wem ich ins Wort falle. Ob es gerade meine Stimme wirklich braucht. Merke manchmal das es schmerzt, das Gefühl zu viel zu sein, oder dass mir nicht mehr zugetraut wird so viel Support zu brauchen wie ich eben brauche damit Dinge okay sind. Im nächsten Atemzug will ich einfach in männlichen Kompetenzen wahrgenommen und gesehen werden. Ich bin ein laufender Wiederspruch.

Ich weiss nicht wen ich liebe, wen ich anziehend finde, ob ich aro/ace/demi oder pan bin, auch wenn ich zu sapphic tendiere. Aber etwas weiss ich: Ich werde niemals cis männlich sein. Ich will es auch nicht. Will auch kein männliches passing. Aber neu gewonnene Privilegien werde ich nutzen, ohne meine alten Kämpfe zu vergessen, nur weil sie mich weniger betreffen. Ich werde immernoch wütend und queer und wenn nötig unangenehm sein, wenn mich das Patriarchat stört. Ich werde immernoch stören. Und ich werde genau diese Mischung aus queerer Lebensfreude und Trotz mit dem Label Lesbian verbinden, und deshalb, deshalb bin ich trans-masc lesbian.

P.S: Ich nutze mittlerweile aus denselben Gründen (und aufgrund meiner Verbundenheit zu Community Care, Healing Work, Spiritual Work und Magick) auch Witch als Label – damit gehe ich allerdings nicht oder noch nicht so offen um, weil es sehr stereotypische Bilder weckt und die Leute es noch weniger Ernst nehmen als Lesbianism als politische Identität – aber das wird mal ein eigener Text

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