Januar 25, 2024

Schlafrhythmus ist nicht Willenssache

CN Ableismus Medikamente Chronische Krankheit Ernährung

Ich bin aufgewachsen in einem Haus mit einem chronisch kranken Elternteil mit einem beeinträchtigten Schlafrhythmus. Als Kind war ich selber ein Sonnenschein der um 7 putzmunter aus dem Bett gesprungen ist und abends schlafen konnte. Ich habe nie allzu viel Schlaf gebraucht, 8 Stunden war so meine Komfortzeit. Meine Schwester hingegen hatte ab der Jugend massive Schlafprobleme. Sie wälzte sich teils ganze Nächte, nichts half. Früher konnte ich es einfach nicht nachvollziehen und ich dachte, dass sie sich nicht bemüht, Dinge die helfen könnten ernsthaft umzusetzen. Dass sie gar nicht wölle, dass es besser wird, wenn sie neue Ideen und Tipps kategorisch ablehnt. Das, meine lieben, ist Ableismus kombiniert mit toxischer Positivität. Die Idee, dass kranke oder behinderte Menschen selber ’schuld‘ sind an ihrem Leiden und es mit Willenskraft beheben könnten wenn sie mental nur ’stark genug‘ wären.

Als ich mit 16 selbst krank wurde, änderte sich erst mal nicht viel daran. Die ersten 2 Jahre habe ich meist 12 Stunden geschlafen, und selbst dann viel es mir enorm schwer aufzustehen und ich bin tagsüber mehrfach ungewollt eingeschlafen. Ich dachte ich hätte Glück, denn viele Leute mit ME *können* gar nicht mehr genug schlafen. Über die Jahre verschob sich mein Schlafrhythmus. Lange Zeit konnte ich mit Hilfe von Schlafmitteln noch so um 12 oder 1 schlafen und war morgens um 10 oder 11 wach genug, um mit dem Hund raus zu gehen. Dann fing ich an, das SSRI zu nehmen. Schnell war es nicht mehr möglich, zu schlafen wie geplant. Die Schlafmittel halfen nicht mehr. Wir probierten verschiedenes aus. Immer häufiger war ich wach, bis es hell wurde. Konnte noch so erschöpft ins Bett gehen, ich blieb trotzdem Stunden wach. Man hat nicht mehr viel vom Tag, wenn man regelmässig erst um 13 Uhr aufwachen kann. Und ich machte die Erfahrung, dass man alles richtig machen kann was man will – wenn im Körper was nicht stimmt, hat man mit gutem Willen keine Chance, ihn zum Schlafen zu bewegen.

Gerade versuche ich es mit sehr drastischen Massnahmen, den Rhythmus wieder zu kippen: Ein Wecker um 10 Uhr. Ich bin Jahre nicht mit Wecker aufgestanden, weil ich dann jeweils tagsüber quasi gar nichts mehr tun konnte (auch sowas wie von anderen zubereitetes Essen zu mir nehmen wird dann schon schwierig). Ich weiss nicht, ob es eine Chance gibt, aber ich will es mal mindestens 14 Tage probieren. Das Ergebnis schreibe ich hier auf um mich zu motivieren, es wirklich durchzuhalten.

Nacht 1: Eingeschlafen nach 2:30, morgens um 10 kaum fähig wach zu bleiben. Ritalin um 11:40 ans Bett gebracht bekommen. Ab 13:15 Uhr dann fähig aufzustehen. Starke Kopfschmerzen und Schwindel. Essverhalten: knapp 40% des normalen Bedarfs gedeckt bekommen

Nacht 2: Eingeschlafen nach 3:50, morgens um 10 fähig selbstständig eine halbe Stunde auf den Snooze Button zu drücken und mich dann aus dem Bett zu quälen. Kopfschmerzen moderat, aber sehr benebelt. Essverhalten: Essen nach 13 Uhr einige Cashews und ein wenig Schokolade – absolut nicht ausreichend. Um 17:30 einige Brote

Nacht 3: Eingeschlafen um etwa 1 Uhr, morgens um 10 aufgestanden mit wenig Problemen. Ich konnte um 11 Porridge essen und um 13 Uhr zum Pony fahren. Danach sehr erschöpft und motzig. 30 Minuten Nickerchen um 18 Uhr, davor eine Packung Spätzle verdrückt.

Nacht 4: Eingeschlafen etwa um 1:40, morgens um 10 Wecker fies, viel Snooze-Tasten nötig. Keine starken Kopfschmerzen, kann um 11 Frühstücken

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert